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Stadtarchiv

Die Stadt Wunsiedel besitzt nach anerkanntem Urteil eines der umfangreichsten Archive aller kleineren deutschen Städte.

Dabei liegt der Wert des Wunsiedler Archivs nicht so sehr in seinem Beständeumfang als in dem hohen Grade an Vollständigkeit des vorhandenen Aktenmaterials.
Es umfaßt heute ca. 360 Urkunden, ca. 6000 Akten, ca. 550 Bände und ca. 3000 Rechnungen.

Anfänge des Stadtarchivs

Mit der Stadterhebung und dem langsamen Prozeß einer immer mehr anwachsenden autonomen Stadtverwaltung entsteht ein Schriftgutbestand, der durch seine Wichtigkeit der dauernden Aufbewahrung zugeführt werden muß. Die Einrichtung einer Kanzlei mit angegliederter Registratur und damit auch eines Archivs ist daher nur mehr eine Frage von kurzer Zeit. Fehlen für Wunsiedel auch Nachrichten aus der jüngsten Stadtgeschichte für die Existenz eines Archivs, so ist dies allein vom Erwähnenswerten und Selbstverständlichen der Existenz nicht verwunderlich. Es bestand erst dann eine Notwendigkeit der schriftlichen Erwähnung als Ausgaben für Erhalt, Existenz und Versorgung in den Vordergrund rückten. Diese Fürsorge der Stadtväter für die Schriftstücke der Rechte, Pflichten, Erwerbungen, etc., der Stadt tritt in den Archivalien das erste Mal während der Hussiteneinfälle der Jahre 1428 bis 1434 auf. So lagerte man 1433 die städtischen „Briefe“ wegen der drohenden Hussitengefahr auf die Burg Hohenberg aus.

Auslagerung und Umsiedlung

Der Ordnungszustand des Archivs, bedingt durch die mehrmaligen Auslagerungen und Umsiedlungen war nicht der beste. Als man das Archiv in das Gewölbe des Wunsiedler Spitals überführte, wurde die Unordnung noch größer. Abgelegtes Schriftgut, das die Registratur nicht mehr benötigte, wurde unverzeichnet, ungesichtet und ungeordnet im Archivgewölbe hinterlegt. 1769 verfügte eine markgräfliche Anordnung, daß alle Städte die vorhandenen Urkunden an das Geheime Hauptarchiv auf der Plassenburg einsenden mußten. Schon damals zeigte sich die Vielfalt und der Reichtum des Wunsiedler Stadtarchivs.
Der Ordnungszustand jedoch wurde dadurch noch verschlimmert. Ein weiteres völliges Durcheinander der Bestände brachte die Öffnung des Archivs für den ältesten Geschichtsverein Deutschlands, der Wunsiedler Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Geschichte, Sitten und Rechte, im Jahre 1784. Die Archivalien wurden damals auch den Forschenden mitgegeben, wenngleich man bemerken muß, daß zur Ausgabe der Stadtschreiber und ein Magistratsmitglied nötig waren, um das mit zwei Schlössern gesicherte Gewölbe des Archivs zu öffnen und auch keine Bestandsverluste zur Kenntnis kamen.

Wiederaufbau der Stadt

Als man beim Wiederaufbau der Stadt nach dem Brand von 1834 ein neues Rathaus baute, verlagerten die Stadtherren zwischen 1838 und 1843 das Archiv im alten Gewölbe des Hospitals in ein neues Gewölbe im Rathaus. Einer Anzeige an die Regierung nach, plante man die Archivalien damals von Grund auf neu zu ordnen. Bereits 1834 hatte man bei einer Untersuchung festgestellt, daß einige Urkunden bereits verloren gegangen waren. Jahre später konnten diese Stücke aber wieder aufgefunden werden.

Am 25. Mai 1843 wies das Bezirksamt den Magistrat an ein generelles Verzeichnis der im Archiv liegenden Stadtbücher, Rechnungen etc. anzufertigen. Dieses Repertorium wurde auch tatsächlich erstellt, enthielt aber nur eine summarische Auflistung der einzelnen Akten unter Angabe der Laufzeit unter einer Obergruppe. Nach dieser Arbeit gab man sich scheinbar mit dem Ordnungszustand des Archivs zufrieden, da keine Nachrichten bis zum Jahre 1876 über neue Ordnungsanstrengungen mehr vorhanden sind.

Am 30.8.1876 wies das Bezirksamt den Magistrat erneut an, Repertorien und Verzeichnisse des Städtischen Archivguts zwecks Übersendung an das kgl. Kreisarchiv in Bamberg zu übergeben. Man fragte auch an, ob der Magistrat nicht die Absicht habe, das Archiv unter Eigentumsvorbehalt an Bamberg zur sicheren Aufbewahrung abzugeben. Die Stadtväter gaben zur Antwort, daß „unser seit dem Jahre 1838 neugebautes Rathaus feuerfestgewölbte Räume enthält all wo die städtischen Urkunden sicher und gut aufbewahrt sind, daher wir weder Willen noch Ursache haben unser Eigenthum anderwärts zu deponieren, zumal viele derselben Dokumente als Beweis- Urkunden stets zur Hand sein müßen...“. Man war sich einig in Wunsiedel die städtischen Archivalien auf gar keinen Fall aus den Händen zu geben, zumal man ihren Wert kannte und schätzte.

Königl. Kreisarchiv Bamberg zu Gast

Im Juli 1881 besuchte Dr. Pius Wittmann vom kgl. Kreisarchiv Bamberg das Stadtarchiv. Im Zuge dieses Besuches entwickelte sich mit dem Bamberger Archiv eine Archivalienversendung um die Wunsiedler Urkunden dort kopieren zu lassen. Am 3. September 1889 bat Dr. Wittmann, mittlerweile in München tätig, um Übersendung der alten Wunsiedler Urkunden und Aktenfaszikeln. Er beabsichtigte eine Geschichte der Stadt herauszugeben. Dieses Projekt muß sich jedoch sehr schnell zerschlagen haben, da in der weiteren Korrespondenz davon nie mehr die Rede ist.

Erfolg dieser Archivalienversendung nach München war schließlich 1891 der Druck des Wunsiedler Urkundenrepertoriums, das in der Zeitschrift des Münchener Altertumsvereins veröffentlicht wurde. Aus einem damaligen Schreiben geht hervor, daß diese Urkunden im Wunsiedler Rathaus in einem “Archivschrank“ mit durchnummerierten Schubläden untergebracht waren. Der Magistrat war sich damals des Wertes der Archivalien voll bewußt. Im Falle des Verlustes bzw. der Beschädigung schloß man eine Versicherung pro Stück über 12000 Mark ab.

Neue Ära im Ordnungszustand des Archivs

Eine neue Ära im Ordnungszustand des Archivs begann im Jahre 1904. Bei einer Amtsvisitation im Rathaus stellte Regierungsdirektor von Roman, von der Kammer des Innern der Regierung von Oberfranken fest, daß „das Archiv in einem hellen, trockenen, feuersicheren, aber räumlich etwas beschränkten Lokale aufbewahrt ist, zu welchem der Magistratsvorstand den Schlüssel hat.

Ein Verzeichnis der Archivalien ist angelegt, die Ordnung und Art der Aufbewahrung läßt aber viel zu wünschen übrig. Eine Sichtung und Ordnung durch sachverständige Hände wäre im allgemeinen Interesse in hohem Maße erwünscht. Es soll dafür eine geeignete Persönlichkeit gefunden werden“. Der Magistrat erwiderte darauf, daß erst ein geeigneter Raum gefunden werden muß, um diese Ordnungsarbeiten ausführen zu können. Der Anstoß zur Neuordnung war gegeben.

Doch dauerte es noch bis zum Jahre 1908 bis definitiv sich etwas regte. In einem Antwortschreiben an das Bezirksamt bittet der Magistrat am 22.12.1908 um Unterstützung durch einen Mitarbeiter des kgl. Kreisarchivs Bamberg, damit sich dieser der Prüfung, Sichtung und Ordnung der Archivalien annimmt. Vom 5. bis 8. Oktober 1909 weilte daraufhin der Kreisarchivassessor Lucas im Wunsiedler Archiv. Sein Bericht an das kgl. Reichsarchiv in München muß dem Ordnungszustand des Stadtarchivs nicht geschmeichelt haben.

Neuordnung in München

Am 16. November 1909 ging im Wunsiedler Rathaus ein Schreiben der Münchner Behörde ein, worin man konstatierte, daß das Archiv sich nahezu völlig in ungeordnetem Zustand befindet und von früheren Stadtverwaltungen “stark vernachlässigt und verwahrlost wurde“. Man schlug deshalb vor, das gesamte Archiv zur Neuordnung nach München zu senden. Der Wunsiedler Magistrat war über diese Möglichkeit, den Zustand des Stadtarchivs durch sachkundige Archivare wieder in Ordnung zu bringen, hoch erfreut. Die Verhandlungen zogen sich zwar etwas in die Länge, aber bis Oktober 1911 war das gesamte Archivgut bis 1810 nach München geschickt.

Bereits zwei Jahre später, am 11. Dezember 1913, dachte man im Allgemeinen Reichsarchiv, nachdem die Ordnungsarbeiten beinahe abgeschlossen waren, an eine Rückführung der Wunsiedler Archivalien. Doch dann brach der Erste Weltkrieg aus und die Arbeiten ruhten bis zum Dezember 1918. Ab diesem Zeitpunkt war der Münchner Archivar Dr. Wilhelm Fürst mit der Ordnungsarbeit an dem Wunsiedler Bestand beschäftigt. Fürst weilte auch im August und Oktober 1920 in Wunsiedel und fand hier noch insgesamt 38 lfde Meter Akten vor, die in völliger Unordnung waren und dem Bestand in München einverleibt werden mußten.

Aus einem Schreiben vom 11.4.1924 von Generaldirektor Riedner geht hervor, daß zu diesem Zeitpunkt die Akten und Bände des Wunsiedler Archivs einen Umfang von 80 lfden Metern in München ausmachten. Für die spätere Unterbringung in Wunsiedel berechnete man, daß „120 lfde Meter Gestelle“ bei einer Raumreserve von 25 lfden Metern für die nächste Zeit für ausreichend erachtet wurden. Am 14. April gleichen Jahres beschloß daraufhin der Stadtrat das im 1. Stock des Rathauses neben der Registratur befindliche Gewölbe als Archivraum zu nutzen.

Für Instandsetzung und Inneneinrichtung investierte die Stadt 1500 Mark, wobei neben den Holzregalen auch zwei Schaukästen angeschafft wurden. Aus der Etatreserve von 1924 genehmigte schließlich der Stadtrat noch die Anschaffung von 350 Urkunden- und 3500 Aktenumschlägen durch die Generaldirektion über die Firma Großmann & Friedel. Aber es dauerte nochmals vier Jahre bis am 17.8.1928 ein Schreiben der Generaldirektion mit der Nachricht eintraf, daß die Wunsiedler Akten und Bände neu geordnet sind und zum Rücktransport bereitstehen. 196 Päckchen zu 40-45 cm à 15 kg wurden daraufhin am 4. September durch die Speditionsfirma Braun wieder nach Wunsiedel gebracht.

Die "Archivpäckle"

Die „Archivalienpäcke“ wurden in den Regalen nicht reihenweise fortlaufend über die ganze Länge des Archivraumes, sondern nur innerhalb der einzelnen Gestelle fachweise von Gestell zu Gestell fortschreitend aufgestellt. Die Akten waren zunächst in die Obergruppen I – XXXVII unterteilt, dann innerhalb der Einzelgruppen fortlaufend von 1 – 00. Die Rechnungen erhielten die Signatur R und liefen wie die Bände, chronologisch steigend, mit der Signatur B von 1 bis 00. Dieser Ordnungszustand gilt noch heute für den Altbestand bis 1810. Mit den Akten und Bänden erhielt die Stadt auch die dazugehörigen Repertorien mit Orts-, Sachen- und Namensregister.

Schließlich wurden am 26. April 1924 noch die Urkunden durch die Münchner Transportfirma Heimerl nach Wunsiedel zurückgebracht. Nach 17 Jahren hatte die Stadt nun endlich ihr Archiv zurückerhalten, zudem in einem Ordnungs- und Erschließungszustand auf den die Stadt stolz sein konnte und der seinesgleichen in Archiven gleicher Größe und Bedeutung suchte. Als Betreuer des Stadtarchivs nahm sich der damalige 1. Bürgermeister Schippel den Beständen an.

Während des 3. Reichs

Der Sicherheit des Stadtarchivs galten vor allem während des Dritten Reiches einschneidende Maßnahmen. Zuvor schon beschloß der Stadtrat am 7.12.1928, daß wegen der Nichterrechenbarkeit des ideellen Wertes der Archivalien auf eine Feuerversicherung verzichtet wurde. Dafür erhöhte er aber den aktiven Feuerschutz durch Anbringung einer Eisentür und eines Minimax-Feuerlöschgerätes.

Bereits im April 1935 nahm der Stadtrat Fühlung mit der Generaldirektion in Hinblick auf eventuelle Flüchtungen von Archivalien auf. Das Staatsarchiv Bamberg wurde daraufhin angewiesen Wunsiedler Archivaliensendungen im Krisenfall aufzunehmen. Die Generaldirektion wies aber in ihrem Schreiben darauf hin, daß die Staatsarchive in größeren Städten untergebracht sind und deshalb ebenfalls Fliegerangriffen ausgesetzt sein könnten. Man sah hier eine bessere Unterbringung in geeigneten Räumlichkeiten auf Einzelhöfen oder kleineren Ortschaften, die kein lohnendes Ziel für feindliche Luftangriffe boten.

Tatsächlich wurden dann am 21.9.1938, als in Eger das Standrecht ausgerufen wurde, acht Kisten mit Wunsiedler Archivalien ans Staatsarchiv Bamberg geflüchtet, die aber bereits einen Monat später nach Wunsiedel zurückgebracht werden konnten. Fünf Tage nach Ausbruch des Polenfeldzuges brachte man am 5. September 1939 10 Kisten Archivalien in den Tresor der Wunsiedler Sparkasse. Dringendes Bedürfnis für Forschungszwecke und das Argument, daß die Archivalien im Rathaus ebenso sicher wären, brachten die Akten und Urkunden ein Jahr später ins Archiv zurück.

Als die Luftangriffe sich auch auf deutsche Kleinstädte ausweiteten, flüchteten die Wunsiedler 1943 die wertvollsten Urkunden des Stadtarchivs in einen entsprechenden Raum des Hospitalgutes Oberhöchstädt. Daneben wurden die übrigen Urkunden am 29. Januar 1944 in der Bruderstube des Wunsiedler Hospitals untergebracht. Kriegsschäden traten bei den Wunsiedler Archivalien nicht ein. Die ausgelagerten Bestände wurden nach Kriegsende wieder in die Archivräume in das Gewölbe des 1. Stockes des Rathauses zurückgeführt.

Betreuung nach 1945

Die Betreuung des Stadtarchivs übernahm nach 1945 Dr. Artur Zechel, der ab August 1946 eine Neuordnung der Bestände durchführte und noch ca. 1500 Akten aus dem 19. Jahrhundert dem Stadtarchiv einverleibte. Von 1953 bis 1984 betreute Frau Elisabeth Jäger die Wunsiedler Archivalien. In ihre Zeit fällt auch der Umzug des Archivs aus den Gewölberäumen im 1. Stock des Rathauses in größere Räume im Zwischenstock zum 1. Stock im Jahre 1955. 1953 und 1954 wurden die Bände und Rechnungen neu geordnet und registriert.

Im Jahre 1957 entstand auf nicht zu klärende Weise im Archiv plötzlich ein starker Wurmbefall, der in kurzer Zeit fast das gesamte Schriftgut außer den Urkunden mehr oder weniger beschädigte. Auf Anraten des Hauptstaatsarchivs in München wurde eine Einzeldesinfektion sämtlicher Archivalien durchgeführt. Der dabei verwendete hölzerne Entwesungsschrank steht heute noch im Magazinraum. Schließlich ersetzte man 1959 die alten Holzregale durch Stahlregale der Firma Pohlschröder.

Seit Februar 1984 wird nun das Stadtarchiv Wunsiedel hauptamtlich betreut. Durch Auslagerung verschiedener Referate der Stadtverwaltung gelang es im Frühjahr 1988 großzügige Büroräume zu beziehen. Für die Archivbesucher wurde den Büroräumen ein eigenes Benutzerzimmer angegliedert. Ebenfalls im Frühjahr 1988, bedingt durch Auslastung der Kapazität der bisherigen Magazinräume im Rathaus, adaptierte die Stadt ein stadteigenes Haus zu einem neuen Magazingebäude. Ausgestattet mit einer Gleitregalanlage sind für die zur Aussonderung anstehenden Bestände der vollen Registraturen der Stadtverwaltung auf Jahre hinaus nun geeigneter und ausreichender Raum geschaffen worden. Im Frühjahr 1989 wurde schließlich das Stadtarchiv an die hauseigene EDV-Anlage angeschlossen.