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Neuzeit

Bis zum Jahre 1632 konnte Markgraf Christian sein Land aus dem Kriegsgeschehen heraushalten. Aber dann brach mit dem Kroateneinfall am Schirndinger Paß im Jahre 1632 das Unheil auch über das Sechsämterland herein. Zwar blieb Wunsiedel infolge seiner starken Stadtbefestigung fast bis zum Ende des Krieges eine intakte Stadt und konnte Zuflucht sein für die Bewohner des ganzen Gebiets. Aber die nicht mehr abreißenden Truppendurchzüge brachten unaufhörliche Plünderungen und Erpressungen. 1646 brannte ein großer Teil der Stadt ab, wodurch Viele um das Allerletzte kamen.

Als dann der Krieg vorüber war, versuchten die Blechzinnhändler vergeblich ihre Betriebe wieder in die Höhe zu bringen. Mehr noch als früher wirkte es sich für Wunsiedel verhängnisvoll aus, daß es „abseits der Landstraße“ lag. Ein Konkurrieren mit den nun auch anderswo entstandenen Blechzinnereien war nicht mehr möglich. Die letzten Glieder der großen Wunsiedler Handelsfamilien verließen daraufhin die Stadt.

Für die übrigen Bürger aber wurde es ein schwerer, mühseliger Existenzkampf. Die meisten betrieben ihr Gewerbe nur soweit, als es die Bedürfnisse der Stadt und der näheren Umgebung erforderten und ernährten sich in der Hauptsache von ihrem Ackerbau. Doch blieben noch einige Nagelschmieden in Betrieb, die verzinnte Nägel in den Handel brachten und im 18. Jahrhundert entstanden mehrere Strumpfwirkereien, die ihre Waren ebenfalls ausführten.

Wunsiedel nach dem Stadtbrand von 1731 Nur ein einziges größeres gewerbliches Unternehmen entstand noch in der Stadt: Auf dem Gelände der Zoboltischen und der Kotzischen Blechzinnereien (oberhalb der heutigen „Schwarzen Allee“) errichteten um 1700 Vertriebene aus der Oberpfalz (Geyssel) eine Seiden- und Baumwollfärberei. Aus ihr ging später die Brandenburg-Schöpfische Zeuchmanufaktur hervor, die bis 1810 zu den bedeutendsten industriellen Betrieben der Markgrafschaft zählte.

Das schlimmste Ereignis des 18. Jahrhunderts war der Totalbrand der Stadt am 28. Juli 1731. Er raubte der Bürgerschaft das mühsam wieder Erworbene und warf sie in neue wirtschaftliche Nöte.

Johann Paulus Friedrich Richter. Jean Paul. 1763-1825 Das geistige Gesicht der Stadt aber, das einst die großen Handels- und Ratsfamilien geprägt hatten, wurde nun immer mehr bestimmt durch die rasch anwachsende Beamtenschaft. Wunsiedel war als Hauptstadt der Sechs Ämter Sitz eines Amtshauptmannes, eines Superintendenten, eines Kastenamtmanns (Steuerbeamten), eines Berg-Commissarius, eines Stadt- und Landrichters, eines Stadt- und Kreisarztes. Dazu kamen der Stadtsyndicus, der Stadtschreiber, drei weitere Geistliche, die (akademisch gebildeten) Amtsschreiber und die Lehrer des Lyceums. Viele dieser Beamtenfamilien blieben Generationen hindurch in Wunsiedel und verwuchsen eng mit der Stadt. Es entstand durch sie ein reiches kulturelles Leben, das seinen Höhepunkt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte, als sich die „Honoratioren“ der Stadt zur „Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Geschichte, Sitten und Rechte“ zusammenschlossen. Das hohe Niveau, das die regelmäßigen Zusammenkünfte dieses Gesellschaftskreises während einer Zeit von fast 20 Jahren hatte, trug der Stadt Wunsiedel einen guten Ruf als Hüterin geistiger Werte ein. Wenn Jean Paul seinen Geburtsort eine kleine, aber lichte Stadt nannte, dann tat er das im Hinblick auf diesen Kreis, bei dem er als junger Dichter Verständnis, Aufmunterung und Unterstützung empfangen hatte.

Der gleiche Kreis war es auch, der um 1800 das Felsengebiet der Luxburg (der heutigen Luisenburg) erschloß und der, im Anschluß an die alten Margarethenfeste, dort das Theaterspielen wieder einführte.

Dass im Jahre 1792 die Markgrafschaft Bayreuth an Preußen kam, erwies sich bald als eine sehr wohltätige Veränderung. Eine Reihe von vernünftigen Gesetzen, eine bessere Verteilung der Steuerlasten ließen das Gewerbe des ganzen Landes aufleben. Aber nach kurzer Zeit brachten die napoleonischen Kriege wieder neue wirtschaftliche Schwierigkeiten und auf die Besetzung des Landes durch die Franzosen (1806) folgte eine rücksichtslose Ausbeutung. Auch in Wunsiedel verarmte dadurch die Bevölkerung von Jahr zu Jahr mehr, auch dann noch, als das ganze Land 1810 dem Königreich Bayern eingegliedert worden war. Den Höhepunkt des Elends brachte die Mißernte des Jahres 1816, der eine schwere Hungersnot folgte. Erst dann begann sich das Wirtschaftsleben langsam wieder zu erholen, wobei nun auch Wunsiedel in spürbarer Weise staatliche Hilfe geleistet bekam. Es wurde auch um das Jahr 1825 zwischen Wunsiedel und dem vorher böhmischen Markt Redwitz eine Staatsstraße gebaut und damit die Straße von Hof nach Regensburg über Wunsiedel geleitet. Aber der nun endlich erreicht Anschluss an das Fernstraßennetz hatte nicht mehr viel praktische Bedeutung für eine wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. Das Zeitalter der Eisenbahn brachte für Wunsiedel wieder die alte Not und Schwierigkeit zurück. Als im Jahre 1874 eine Bahnlinie durch das Fichtelgebirge geführt wurde, lag Wunsiedel durch fast tragisch zu nennende Umstände von neuem abseits und mußte erleben, dass andere Orte seine Vormachtstellung als größte und bedeutendste Stadt des Fichtelgebirges brechen konnten. Erst seit die Straße durch die Motorisierung wieder der Eisenbahn gleichwertig geworden ist, kann von einer wirtschaftlichen Isolierung Wunsiedels nicht mehr gesprochen werden.